Archiv der Kategorie: Landkarte

Lernen, lernen, popernen

wie Helge Schneider sagt, bzw. singt. Mit dem Lernen ist es ja nicht so einfach. Die Institutionen, in denen kognitiv gelernt werden soll, wie Schulen und Universitäten, beschäftigen sich primär mit den Inhalten und der Vermittlung und überlassen den Schülern und Studenten die Art und Weise des Lernens. Es gibt da natürlich etliche rühmliche Ausnahmen.

Dass der Körper bei psychischen Prozessen eine Rolle spielt, braucht an dieser Stelle nicht mehr betont zu werden. Wie stark körperliche Prozesse, ja bloße Körperhaltungen psychische Vorgänge beeinflussen, ist für mich aber immer wieder erstaunlich. Diverse Studien belegen z.B. dass die Haltung des Arms schon ausreicht, signifikante Unterschiede in der Kreativität messen zu können (Green, N. & Raab, M. (2003)), neue Inhalte deutlich unterschiedlich bewertet werden (Cacioppo, Priester und Berntson (1993)) oder sogar die Menge der Nahrungsaufnahme beeinflusst wird (Förster, J. (2003)).

Grundlage dieser Experimente war die unterschiedliche Aktivierung der Armmuskeln. Unterschieden wurde zwischen der Beuge- und der Streckmuskulatur; erstere ist mit Annäherung gekoppelt (wie dann, wenn man einen Gegenstand oder eine Person an sich presst), letztere mit Vermeidung („Zurückstossen“). Die Muskelaktivierung kann nun z.B. dadurch hervorgerufen werden, dass Versuchspersonen mit der Handfläche von oben auf eine Tischfläche pressen (Streckmuskeln aktiviert) oder von unterhalb der Tischplatte nach oben pressen (Beugemuskeln aktiviert), beides Mal im Rahmen einer neutralen Anweisung.

Toll, oder? Mein Körper nimmt an, also lerne ich, mein Körper lehnt ab, also lerne ich nicht oder zumindest ungern. Wie gesagt: Lernen, lernen, popernen!

Hier noch ein link zu einem Artikel von Maja Storch dazu.

Dreieinigkeit erklärt

dreieiniges_GehirnUnser Gehirn ist ein erstaunliches Ding und es wird ja überhaupt viel Aufhebens darum gemacht, wie mächtig, wichtig/ unwichtig, nützlich/ hinderlich. etc. es ist. In den Vorträgen von Menschen, die es wahrscheinlich gut nutzen wie z.B. Spitzer, Hüther, Schmidt kommt immer mal wieder auch dieses Modell vor, das sog. dreieinige Gehirn (Triune Brain). Der amerikanische Hirnforscher Paul D. MacLean entdeckte, dass das menschliche Gehirn in seiner Entwicklung die wesentlichen Züge der Evolution beibehalten hat und im Wesentlichen aus drei Teilen besteht, dem „Reptiliengehirn“ (grundlegende Lebensfunktionen, hier grün), dem „Limbischen System“ (Sitz der Emotionen sowie Steuerung des autonomen Nervensystems, hier gelb) sowie dem „Neocortex“ (Sitz des Denkens, Lernens, Schlussfolgerns, hier braun) besteht. Die drei Hirne arbeiten natürlich zusammen, jedes erfüllt seine Zwecke, aber sie bringen auch Konflikte mit sich, z.B. Affekte, die uns zu Handlungen nötigen, die wir später im Großhirn bereuen. Daraus ergeben sich jetzt natürlich viele Implikationen, man könnte aber auch sagen: Na und? Dreieinigkeit erklärt weiterlesen

Geboren, um aneinander teilzunehmen 1

Ich sehe gerade eine DVD eines Vortrages von Peter A. Levine (Begründer des Somatic Experiencing) und Dr. Susan Hart, einer dänischen Kinderpsychotherapeutin. Nach 30 Minuten schon soviel input gehabt, dass ich Pause machen musste. Die DVD hat nun allerdings 10 Stunden.Aber die Landkarte, an der ich arbeite, ist ohnehin für lange Zeit und wahrscheinlich aus Prinzip under construction.Hier hörte ich abermals von den angeblich „grausamen“ Affenexperimenten des Harry Harlow, der unter anderem Rhesusaffen-Babys dazu benutzte, um an ihnen die Grundlagen der Mutter-Kind-Bindung zu erforschen. In Experimenten zeigt Harlow junge Rhesus-Äffchen, die ohne ihre Mutter in einen Käfig gesetzt werden, in dem sie die Wahl zwischen zwei Attrappen haben: einer aus Draht nachgebildeten, Milch-spendenden „Ersatzmutter“ und einer gleich großen, mit Stoff bespannten „Ersatzmutter“, die aber keine Milch spendet. Die Äffchen hielten sich bei der Milchspenderin stets nur zur Nahrungsaufnahme auf, kuschelten sich aber ansonsten auf die stoffbespannte Attrappe. Harlow schuf damit Belege für z.B. die Bindungstheorie von  Bowlby und Ainsworth, die in den 50ern die klassisch psychoanalytische und die lerntheoretische These, dass die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind hauptsächlich durch das Füttern bestimmt ist, widerlegten. Man muss sich ja fast kneifen vor Erstaunen, dass diese Thesen jemals Bestand hatten. Und dass es grausamer scheint, Affen ihre Mutter zu entziehen als in Systemen zu leben und diese zu fördern, wo dies ganz selbstverständlich mit Menschenkindern geschieht. Wir Deutschen haben auch durch Johanna Haarer das ja fast alle am eigenen Leib erleben können.

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Eine kleine Anatomiestunde mit Herrn Schulte

Anatomie_BrustsegmentGestern abend beim Vorbereiten der nächsten Gruppe, bei der wir das Brustsegment thematisieren wollen; da packte Herr Schulte sein reich gefülltes Schatzkästlein aus. In dem sehr wertvollen, aber auch recht kurzen Abschnitt bei Herskowitz, Emotionale Panzerung zum Brustsegment hatte ich als Vorbereitung gelesen, dass, wenn man ein Segment besonders hervorheben wollte, es das Brustsegment ist, weil es die für den Lebensprozess notwendigen Organe Herz und Lunge enthält und weil es die wichtigste Antriebsquelle des körperlichen Energienieveaus ist.

Das Brustsegment dient bei einer Panzerung anderer Segmente diesen, indem es die Intensität der zugeführten Energie reduziert und auf diese Weise den empfundenen Schmerz lindert. Durch die Reduzierung des Energieniveaus macht die Brustpanzerung jeden Schmerz weniger heftig, jede unerträgliche Situation etwas erträglicher. Die Panzerung der Brust dient neben der Energiehemmung dazu, die stärksten Ausdrücke von Liebe, Wut, Traurigkeit, Sehnsucht und Angst niederzuhalten. Statt sich zu heben, zu „wogen“, zu „schwellen“, wird sie so rigid wie möglich gehalten, wenn Emotionen verdrängt werden müssen. Diese zentrale Rolle der Brustpanzerung, so Herskowitz, ist der Grund dafür, dass die Atmung in der Reich’schen Körpertherapie so eine vorrangige Rolle spielt.

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Achtsamkeit

Weiterhin suchend: in den letzten Tagen verschiedene Vorträge der Lindauer Psychotherapiewochen 2010 gehört. Und wichtige Hinweise für meine Landkarte erhalten. Vieles findet sich und scheint im Begriff der Achtsamkeit zusammenzufallen, ein Wort, das für mich immer nur nach Buddhismus geschmeckt hat. Luise Reddemann sagte unter anderem, dass das, was unter Achtsamkeitspraxis verstanden wird, eher eine Aufforderung an die Therapeutinnen ist, als an die Klienten. In den Vorträgen klärt sich ein Zusammenhang zwischen diesen vielen psychotherapeutischen Methoden und Interventionen: Achtsamkeit. Folgend die Stichpunkte, die ich mitbekommen habe.

Für Menschen in der Rolle des Therapeuten:

  • fühlt euern Hintern, wenn ihr an der Matte sitzt (Skan): Achtsamkeit
  • Erwarte nicht, dass das, was 100mal geholfen hat, beim 101mal auch hilft: Achtsamkeit
  • Erwarte nicht, dass irgendetwas, das du tust, hilft: Achtsamkeit
  • Aufmerksam, rücksichtsvoll, umsichtig, repektvoll und achtungzollend sein: Achtsamkeit
  • wiederkehrende Reflektion auf unser Tun, ob es heilsam oder nicht heilsam ist: Achtsamkeit
  • der Respekt vor der Autonomie des anderen: Achtsamkeit
  • Respekt vor ihrem oder seinem Anderssein: Achtsamkeit

Für Menschen in der Rolle des Klienten:

  • Bewusstsein für die Gegenwart, wie sie ist: Achtsamkeit
  • inneres Pendeln zwischen einem schmerzhaften und einem heilsamen Zustand (z.B. Focusing): über Achtsamkeit
  • Desidentifikation: Achtsamkeit
  • Der innere Zeuge/ Beobachter (Fonagy): Achtsamkeit
  • Aktivierung des präfrontalen Kortex (Schematherapie): Achtsamkeit
  • Abgespaltene Ego-States annehmen: Achtsamkeit
  • eine fühlende und empathische Beziehung zum eigenem Erleben, fühlende Distanz aufbauen und regulieren zum eigenen Erleben: Achtsamkeit
  • Utilisierung von z.B. Dissoziation (bewusstes sich von ferne betrachten) (Milton Erickson): Achtsamkeit

Mit dem Mysterium aussöhnen

hertha
Herta Grun

Gerne mal vergessen und ohnehin (zumindest von mir) nur scheinbar verstanden ist C.G. Jungs Diktum:

Seele, das innerlich angeschaute Leben des Körpers,
Körper, das äußerlich geoffenbarte Leben der Seele.

Bin ich über einen Vortrag von Wolf Büntig (www.zist.de/) gekommen, den ich aber auch nicht ganz verstanden habe – wie ich überhaupt zur Zeit nicht viel verstehe, sondern allenfalls eine ferne Ahnung habe, dass alle diese Ansätze ja irgendwie zusammenhängen; eine Landkarte würde ich gerne zeichnen, wo alles verortet ist und es außerdem Strassen, Pfade, Rinnsale, Bäche, Flüsse, Meere gibt, die alles verbinden. Dann kann ich mir und allen erklären, wo’s lang geht…

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